Welterbe Wismar

Besprechung Hansestadt Wismar, Der Bürgermeister, Stabsstelle Welterbe (Hrsg.):

Zusammen mit Stralsund seit dem Jahr 2002 UNESCO-Welterbe Wismar.

Zusammen mit Callidus. Verlag wissenschaftlicher Publikationen, Wismar, 2022, 137 Seiten. Schriftenreihe aus dem Welt-Erbe-Haus der Hansestadt Wismar, Band 4. ISBN 978-3-949534-01-0.

Es war ein doppeltes Jubiläum:

• Am 13. November 2022 jährte sich die Verabschiedung der UNESCO-Konvention zur Erhaltung des kulturellen und natürlichen Welterbes zum 50. Mal, und

• am 30. November 2022 wurde die oben genannte Publikation anlässlich des Jubiläums „20 Jahre UNESCO-Welterbe Historische Altstädte Stralsund und Wismar“ der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Publikation präsentiert acht Kapitel unterschiedlicher Autorinnen und Autoren, die einen detaillierten Einblick in die Entwicklung der Einschreibung von Stralsund und Wismar in die Liste des UNESCO Welterbes erlauben. Bereits im Vorwort betont Norbert Huschner die weltweite Verantwortung von UNESCO-WelterbeStätten: „Wir sind Teil globaler, europäischer und nationaler Netzwerke und widmen uns den Aufgaben des Schutzes und der Weiterentwicklung der Stadtdenkmäler sowie der Vermittlung des Welterbegedankens“ (S. 7).

Norbert Huschner hat auch das erste Kapitel geschrieben. Mit Hilfe zahlreicher Luftbilder der Altstadt erläutert er die historische Entwicklung Wismars bis zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste im Jahre 2002. Das Kapitel schließt er ab mit einem Epilog „Eine Vision – Die Hoffnung“, in dem er auf die Welterbestätten im afghanischen Bamiyan-Tal und die Zerstörung der beiden riesigen Buddha-Statuen eingeht.

 In Kapitel 2 berichtet Hans Caspary, langjähriger Delegierter der Bundesrepublik Deutschland beim Welterbe-Komitee der UNESCO, anschaulich über den mühsamen Weg, der zur gemeinsamen Eintragung von Stralsund und Wismar in die UNESCO-Welterbeliste führte.

 In Kapitel 3 beschreiben Barbara Genschow und Rita Gralow sehr detailliert die Entwicklung der Altstadt von Wismar in den letzten 20 Jahren. Das Welterbe-Komitee der UNESCO hatte die Vorlage eines Managementplans zur Voraussetzung für eine Aufnahme in die Welterbeliste gefordert. Voller Stolz berichten die Autorinnen, dass nach der Aufnahme der Hansestadt Wismar in die Städtebau-Förderungsprogramme des Bundes und der Länder im Jahre 1991 innerhalb von nur zehn Jahren fast zwei Drittel der vom Verfall bedrohten Gebäude instandgesetzt wurden. Von 2001 bis 2020 konnte der Anteil der sanierten Gebäude von 50,2 % auf 68,3 % erhöht werden. Die Autorinnen betonen aber auch, dass für weitere 90 Gebäude noch hoher Handlungsbedarf besteht. Auf Luftbildern sind Sanierungsstand, Gebäudearten und denkmalgeschützte Gebäude farbig markiert. Statistiken zum rückläufigen Leerstand von Wohnungen sowie zur gestiegenen Bevölkerungsentwicklung im Vergleich zur Gesamtstadt ergänzen die Analyse. Abschließend wird auch auf die notwendige Sanierung der Straßen eingegangen. Deutlich wird in diesem Kapitel, wie komplex und vielfältig die Aufgabe ist, die Anforderungen der UNESCO zum Erhalt der Altstadt zu erfüllen. Aber die Gründlichkeit der vorgetragenen Analyse zeigt auch, dass in Wismar mit beträchtlichem Engagement daran gearbeitet wurde.

 In Kapitel 4 berichtet Birgitta Ringbeck, die ehemalige Leiterin der Koordinierungsstelle Welterbe im Auswärtigen Amt, über „Solidarität und internationale Zusammenarbeit“. Sie setzt sich kritisch mit der Konzentration der Welterbestätten auf Europa und Nordamerika auseinander, die dem Prinzip der Gleichwertigkeit aller Kulturen und Regionen allzu eklatant zuwider laufe: „Deutschland tut also generell und im eigenen Interesse gut daran, die inflationäre Entwicklung der Welterbeliste nicht weiter zu befördern. Es muss eine Balance gefunden werden zwischen den eigenen Interessen und der Notwendigkeit, die Wirkung unseres Handelns im internationalen Kontext zu begreifen.“ (S. 72).

Als positives Beispiel führt Birgitta Ringbeck die zehn grenzüberschreitenden Welterbe-Stätten an, bei denen Deutschland mit 23 anderen Vertragsstaaten der Welterbekonvention zusammenarbeitet. Unter Hinweis auf die Bewerbungsphase lobt sie, dass die Städte Stralsund und Wismar sich von Anfang an den umfassenden Ansatz der Welterbekonvention zu eigen gemacht haben. Bereits im April 2001 – ein Jahr vor ihrer Anerkennung als Welterbe – gründeten sie die „Deutsche Stiftung Welterbe“, die Maßnahmen und Projekte mit Welterbe-Bezug außerhalb Deutschlands fördert. Darunter sind auch religiöse Baudenkmäler und historische Bürgerhäuser in der ukrainischen Stadt L’viv (Lemberg), die derzeit von russischen Raketen beschossen wird. Abschließend fordert Birgitta Ringbeck alle anderen Welterbestätten in Deutschland auf, über Patenschaften mindestens ein weltweites Projekt pro Jahr gemeinsam zu unterstützen. Die Förderprojekte der Stiftung Welterbe werden sodann im Einzelnen aufgeführt. Sie werden auch auf www.wismarstralsund.de/welterbestiftung/projekte dargestellt.

 In Kapitel 5 berichtet Rita Gralow über Entstehung und Konzeption des Welt-Erbe-Hauses in Wismar. Die historischen Altstädte Stralsund und Wismar werden zugleich als Teil eines globalen Netzwerkes von UNESCO-Welterbestätten vorgestellt. Der Einsatz moderner Informationstechnologien erlaubt es, sämtliche Welterbestätten über „Google Earth“ einzeln aufzurufen. Ein Panorama an den Wänden stellt die Geschichte der Rettung der Ramses-Statuen aus dem Felsentempel in Abu Simbel dar, und erläutert deren Bedeutung für die Entwicklung der Welterbe-Idee. Das Welt-Erbe-Haus in direkter Nachbarschaft zur Tourist-Information besteht seit dem Jahre 2014. Es ist täglich geöffnet. Der Eintritt ist kostenfrei.

Kapitel 6 des Buches, geschrieben von Jacqueline Haase, widmet sich dem Wohnen „mittendrin“ in der Altstadt. Fotos verdeutlichen, wie unterschiedliche Generationen das Leben in der Altstadt genießen.

 In Kapitel 7 stellen die Denkmalpfleger Frank Pieter Hesse und Matthias Staschull das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) und dessen Monitoring-Gruppe vor. Aktivitäten und Probleme werden dargestellt und diskutiert, um sie gemeinsam lösen zu können – was aber nicht immer gelingt.

 In Kapitel 8 zieht Ekkehard Wohlgemuth eine städtebauliche Zwischenbilanz. Er nennt eine lange Liste denkmalpflegerisch anspruchsvoller Bau- und Instandsetzungsprojekte. Hierzu bedurfte es umfassender Bestandsaufnahme der vorhandenen Substanz an Denkmälern. Archäologische Grabungen erbrachten bemerkenswerte Funde und Erkenntnisse zur stadtgeschichtlichen Entwicklung.

Das Buch beeindruckt durch die Darstellung der Entwicklung des UNESCO-Welterbes Wismar aus unterschiedlichen Perspektiven über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Besonderes Augenmerk liegt auf der Einbindung unterschiedlicher Akteure und der Bevölkerung in diesen komplexen Prozess. Es wäre zu wünschen, dass auch andere Welterbestätten ihre Erfahrungen bei der Anerkennung als UNESCO-Welterbe und bei den daraus folgenden Entwicklungen auf ähnlich umfassende Weise dokumentieren.

KLAUS HÜFNER und HANS KRÖNNER

Das Buch mit 135 Seiten und ca. 80 Abbildungen ist erhältlich für 10 € zuzüglich Porto beim Welt-Erbe-Haus Wismar, Lübsche Straße 23, 23966 Wismar, , Tel. 03841-22529-104.