Musik und das ‘C’ der UNESCO

22.07.2012

rußwort zum Benefizkonzert "Mit Pauken und Trompeten!" von Klaus Hüfner. Zugunsten des Collegium Musicum an der Beuth Hochschule für Technik Berlin am 5. Juli 2012. Finden Sie mehr Informationen in der unten stehenden Einladung!

 

   

 

Grußwort von Prof. Klaus Hüfner

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Frau Professor Kammasch hat mir freundlicherweise empfohlen, mit dem ‘C’ vom "hohen C" in der Musik zum ‘C’ von Culture in der UNESCO zu gelangen – ein nicht ganz einfaches Unterfangen, wie Sie sich denken können.

Bleiben wir zunächst bei der Musik, wo sofort die Frage auftaucht, ob ich C-Dur oder C-Moll meine.

C-Dur wird häufig als hell, klar, festlich beschrieben. Anders sieht es bei C-Moll aus. Die Musiker und Sie, meine Damen und Herren, wissen es viel besser als ich. Dennoch einige Beispiel zur Erinnerung.

Beethovens 5. Sinfonie, die "Schicksalssinfonie", beginnt in C-Moll und endet in C-Dur. Diese Entwicklung "durch Nacht zum Licht" – wie es so schön heißt – findet sich auch wieder in Brahms' erster Sinfonie. Dass Brahms hier die gleiche Tonartkombination wie Beethoven wählt, ist sicher kein Zufall. Ähnlich steht es mit Webers Freischütz, der verblüffende tonartliche Parallelen zu Beethovens Fidelio aufweist. Die düsteren Aspekte und bösen Mächte werden durch C-Moll und der befreiende Sieg über sie durch C-Dur dargestellt.

Damit stellt sich die Frage, ob beim C der UNESCO eher C-Moll oder C-Dur gemeint ist. Ich meine, dass die Gründung der UNESCO in C-Dur begann. Bereits in der Präambel zur Verfassung der UNESCO erklären die Regierungen der Vertragsstaaten im Namen ihrer Völker: "Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden".

Eigentlich sollte die Organisation "UNECO" heißen, Organisation der Vereinten Nationen für Education and Culture, für Bildung und Kultur – so wie es auch die Charta der Vereinten Nationen in Artikel 55 vorsah. Aber dann wurde das Mandat der Organisation um Science, Wissenschaft, genauer Naturwissenschaften sowie Sozial- und Geisteswissenschaften, und später um ein zweites C, nämlich Communication, Kommunikation erweitert. Keine andere Organisation im System der Vereinten Nationen ist mit solch einem breiten Aufgabenspektrum versehen wie die UNESCO.

Aber bleiben wir beim C für Culture und definieren wir es weit, so dass Bildung, Wissenschaft und auch Kommunikation dazu gehören. Dann sprechen wir von der UNESCO als Kulturorganisation, die – so Artikel 1 der Verfassung – "zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit" beitragen soll. Hier ist also wiederum alles in C-Dur gekleidet: Sich für den Frieden engagierend, will die Organisation diese Arbeit in ihrem breiten Aufgabenspektrum leisten.

Dazu gehört auch die Musik. "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum" sagte einmal Friedrich Nietzsche. Eine Gesellschaft ohne Musik wäre undenkbar. Daher gilt auch für die Bildungseinrichtungen, der musischen Erziehung einen entsprechenden Platz zu gewähren. Hier sollte und könnte die UNESCO sich kritisch zum PISA-Primat der OECD mit der Mathematik und den Naturwissenschaften äußern.

Die UNESCO ist nicht nur eine mit einem Friedensmandat im Dienste der Vereinten Nation ausgestattete Kulturorganisation, sie ist auch eine politische Organisation, eine staatliche Institution, die sich aus Regierungsvertretern zusammensetzt. Und hier zeigen sich gegenwärtig dunkle Wolken am Horizont, hier wird alles düster, hier dominiert das C-Moll. Bevor ich dies näher erläutere, erlauben Sie mir noch einige Sätze in C-Dur.

Ich denke an Daniel Barenboim, der zusammen mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said 1999 das West-Eastern Divan Orchestra gründete. Barenboim engagiert sich seit langem für eine Annäherung der verfeindeten Volksgruppen im Nahostkonflikt. Das Orchester setzt sich aus jungen Musikern aus Israel, den palästinensischen Autonomiegebieten, Libanon, Ägypten, Syrien, Jordanien und Spanien zusammen. Im August 2005 spielte das Orchester ein vielbeachtetes Konzert in Ramallah, das in vielen Staaten live im Fernsehen übertragen wurde. In einigen Wochen spielt das Orchester wiederum in Berlin.

Anlässlich einer Ehrung 2004 in der Knesset, dem israelischen Parlament, sagte Barenboim: "In tiefer Sorge frage ich heute, ob die Besetzung und Kontrolle eines anderen Volkes mit Israels Unabhängigkeitserklärung in Einklang gebracht werden kann. Wie steht es um die Unabhängigkeit eines Volkes, wenn der Preis dafür ein Schlag gegen die fundamentalen Rechte eines anderen Volkes ist? ..." Daraufhin kam es zu einem Eklat, als die israelische Bildungsministerin Barenboim in ihrer Erwiderung vorwarf, das Parlament als Bühne zu missbrauchen, um Israel zu attackieren.

Ich will und kann nicht an dieser Stelle auf die höchst komplizierte Situation der Menschen in Israel und Palästina näher eingehen. Mir geht es hier darum, darauf hinzuweisen, dass die jahrzehntelange Situation im Nahen Osten nun auch in der UNESCO zu einer Krise geführt hat, welche die Existenz der Organisation in Frage stellt.

Am 31. Oktober vergangenen Jahres nahm die 36-UNESCO-Generalkonferenz den Aufnahme-Antrag Palästinas mit 107 Ja-Stimmen bei 14 Gegenstimmen und 53 Enthaltungen an. Zu den Nein-Stimmen gehörten Deutschland, Israel und die USA. Schlimmer noch für die Organisation war die Entscheidung der USA, einerseits in der Organisation zu bleiben, aber andererseits ihren jährlichen Pflichtbeitrag, der immerhin 22 Prozent am ordentlichen Haushalt ausmacht, rückwirkend nicht mehr zu zahlen. Dieses Geld fehlt nun bereits seit zwei Jahren und führt zu erheblichen Einschnitten in das Arbeitsprogramm der Organisation.

Palästina hat als 195. Mitgliedstaat der UNESCO sofort die UNESCO-Welterbe-Konvention, ein Juwel der Organisation, ratifizieren können und – verspätet – den Antrag gestellt, die Geburtskirche Jesu Christi und den Pilgerweg in Bethlehem in die Welterbeliste einzutragen. Dies erfolgte vor wenigen Tagen in St.Petersburg mit 13 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen nach sehr heftigen, überwiegend politischen Auseinandersetzungen. Auch hier dominierte C-Moll. Allein im letzten Jahre wurden im Welterbe-Komitee der UNESCO 50 Prozent aller Entscheidungen politisch, d.h. gegen die Empfehlungen der Fachgremien entschieden.

Ich kann leider nicht voraussagen, wie es mit dem C in der UNESCO weitergehen wird. Aber ich gehöre zu den Idealisten (sonst würde ich mich nicht seit über 40 Jahren für die UNESCO engagieren). Daher lassen sich mich – wie in der Musik – in C-Dur abschließen. Ich hoffe, dass Barenboims Arbeit zur Überwindung von Mauern und Grenzen Früchte tragen wird. Ich hoffe, dass es nicht zu verschärften Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina kommen wird. Im Gegenteil, gemeinsame religiös-kulturelle und auch touristische Interessen beider Staaten sollten die Grundlage bilden für konstruktive Verhandlungen, die zu Formen friedlicher Zusammenarbeit führen. Und die Brücke hierzu kann nur die UNESCO bilden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Prof. Dr. Klaus Hüfner
Ehrenvorsitzender des Berliner Komitees für UNESCO-Arbeit e.V.

 

Bild zur Meldung: Einladung Benefizkonzert "Mit Pauken und Trompeten!"