UNESCO – Quo vadis?

08.03.2014

Seit 2011 zahlen die USA wegen der Aufnahme Palästinas in die UNESCO nicht mehr ihren Pflichtbeitrag, der immerhin 22 Prozent des ordentlichen UNESCO-Haushalts ausmacht. Da sie aber weiterhin Mitglied der Organisation geblieben sind, haben sie auf der 37. Generalkonferenz im November 2013 ihr Stimmrecht verloren. Zugleich erklärte der US-Botschafter, dass die Obama-Administration aufgrund der innerstaatlichen Rechtslage weiterhin nicht in den Lage sei, ihren Pflichtbeitrag in Höhe von jährlich rund 75 Mio. US-Dollar zum ordentlichen Haushalt zu zahlen.

 

Die durch dieses Verhalten ausgelöste Finanzkrise ließ sich auch mit einem von der Generaldirektorin eingerichteten Notstandsfonds nicht lösen, da bisher kein einziger EU-Staat einen freiwilligen Beitrag dazu geleistet hat. Gezahlt haben unter anderem Katar und Saudi-Arabien jeweils 20 Mio. US-Dollar sowie Algerien und die Türkei jeweils fünf Mio. US-Dollar, zusammen deutlich mehr als die Hälfte aller bisher eingegangenen Beträge.

 

Mein Vorschlag, kurzfristig einen Darlehensfonds einzurichten, solange die USA ihren Beitragspflichten nicht nachkommt, war als eine Art Überbrückungsfonds gedacht. Die anderen Mitgliedstaaten sollten durch Darlehen entsprechend ihren Beitragssätzen die entstandene Finanzierungslücke füllen, um das auf der 36. Generalkonferenz 2011 beschlossene Arbeitsprogramm für 2012-2013 ordnungsgemäß durchführen zu können. Dieser Vorschlag wurde ebenso verworfen wie meine Idee, beim Internationalen Gerichtshof ein Gutachten anzufordern, um zu klären, ob es völkerrechtlich erlaubt sei, Mitglied der UNESCO zu bleiben, ohne die Beitragspflichten zu erfüllen.

 

Daher blieb nur die Möglichkeit, entsprechende Einsparungen umzusetzen. Seit 2012 mussten in der Folge neben Personaleinsparungen sämtliche Haushaltsansätze der UNESCO um rund 30 Prozent und alle Programm-Aktivitäten um etwa 50 Prozent reduziert werden. Dies gilt auch für die Jahre 2014-2015, wo anstelle eines bereits seit 2010-2011 angestrebten nominalen Nullwachstums in Höhe von 653 Mio. US-Dollar ein Ausgabenplan von lediglich 507 Mio. US-Dollar von der Generalkonferenz verabschiedet worden ist. Mit dem notwendigen Personalabbau von etwa 700 Stellen zwischen 2010 und 2014 wird der Personalbestand um etwa ein Drittel reduziert.

 

Aber die Finanzkrise macht auch eine Strukturkrise der Organisation sichtbar. Seit 1991 werden anstelle von Persönlichkeiten Mitgliedstaaten, vertreten durch Botschafter/innen, in den Exekutivrat gewählt. Zahlreiche Mitglieder des Exekutivrats verletzen bei der Entsendung ihrer Vertreter/innen die Vorschriften der Verfassung, da sie Persönlichkeiten vorschlagen, die weder "auf einem oder mehreren Gebieten der UNESCO sachverständig" sind noch für die gewählte Zeit von vier Jahren in diesem Amt bleiben.

 

Oftmals wird von einer dualen Rolle der UNESCO gesprochen, wonach sie sowohl als eine Entwicklungshilfe-Agentur als auch als eine Agentur für internationale Zusammenarbeit tätig sei. Vergleicht man jedoch die zur Verfügung stehenden ordentlichen und außerordentlichen Finanzmittel mit denen anderer UN-Institutionen einschließlich der Bretton-Woods-Organisationen, so erscheint diese Doppelfunktion äußerst fragwürdig.

 

Auch der kurz- und mittelfristige Planungsprozess verläuft immer noch in alten Bahnen. Zwar beteiligten sich beim Prozess der Planerstellung für die diesmal aus entwicklungspolitischen Gründen von zwei bzw. sechs auf vier bzw. acht Jahre verlängerten Phasen über die Hälfte der Mitgliedstaaten mit ausgefüllten Fragebögen. Deren Antworten wurden dann vom Sekretariat ohne erkennbaren methodischen Ansatz zusammengefasst, aber eine zweite Runde der inhaltlichen Prioritätensetzung angesichts der gegenwärtigen Finanzsituation und der globalen Unsicherheiten blieb ebenso aus wie eine zeitliche Abstimmung mit der Nach-2015-Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen.

 

Ich schlage eine Reduzierung der Mitgliederzahl des "verstaatlichten" Exekutivrats von gegenwärtig 58 auf 30 Staaten vor, wobei auch die Möglichkeit einer direkten Wiederwahl abgeschafft werden sollte, um eine quasi-ständige Mitgliedschaft einiger Staaten zu verhindern und ein höheres Maß an Rotation zu erlauben. Parallel dazu soll mit einem Forschungsrat ("Akademia") ein gleichrangiger Ausschuss für kompetente Nicht-Regierungspartner gegründet werden, der ebenfalls aus 30 Vertretern internationaler NGOs besteht. Beide Räte sollten im Auftrage der Generalkonferenz und im gegenseitigen Konsens sowohl für den Prozess der mittel- und langfristigen Planaufstellung als auch für die Plandurchführung und -evaluierung zuständig sein.

 

Die Aufsichtsräte der UNESCO-Fachinstitute vor allem im Bildungsbereich sollten sich in Zukunft nicht aus Regierungsvertretern, sondern ausschließlich aus ausgewiesenen Fachleuten zusammensetzen, denn die Fachinstitute sollen als "Denk-Leuchttürme" agieren, als Exzellenz-Zentren "gegen den Strom" denken und Anstöße für innovative Programm-Aktivitäten liefern. Auch der Ausschuss für Menschenrechtsfragen (CR-Ausschuss) des Exekutivrats darf nicht einer zunehmenden Politisierung zum Opfer fallen, sondern muss in ein Expertengremium umgewandelt werden. Die jüngst erfolgte Initiative Kubas, eine offene Arbeitsgruppe des Exekutivrats im Frühjahr 2014 einzurichten, um das Individualbeschwerde-Verfahren endlich abschaffen zu können, deutet auf einen unerfreulichen politischen Druck unter dem Deckmantel von "Sparmaßnahmen".

 

Die zukünftige Finanzierung der UNESCO muss auf jeden Fall gesichert sein. Ich schlage daher vor: Langfristig sollte beim Pflichtbeitrag zum ordentlichen Haushalt eine neue Höchstgrenze von 10 anstatt von bisher 22 Prozent eingeführt werden, um nicht länger von einem einzigen Staat finanziell abhängig zu sein. Die bisherige Orientierung an der Beitragstabelle der Vereinten Nationen kann durchaus flexibel gehandhabt werden, wie es bei anderen UN-Sonderorganisationen der Fall ist. Darüber hinaus sollte bei konkreten Projekten von den sich beteiligenden Mitgliedstaaten Gebühren erhoben werden, die sich prozentual an den Beitragssätzen zum ordentlichen Haushalt orientieren. Ein solches Verfahren existiert zum Beispiel bei der OECD.

 

Die gegenwärtige Finanzkrise legt zahlreiche strukturell-organisatorische sowie inhaltliche Probleme der Organisation offen. Bisherige Reform-Vorschläge haben die bestehenden Strukturen nicht in Frage gestellt. Wer umfassende Struktur-Reformen vom UNESCO-Sekretariat erwartet, muss sich mit konkreten Vorschlägen auch an den hierzu notwendigen Aktivitäten beteiligen. Dies gilt für alle Mitgliedstaaten und deren UNESCO-Nationalkommissionen. Das gegenwärtige Krisenmanagement durch Sekretariat und Exekutivrat reicht nicht aus. Sämtliche Anstrengungen sollten darauf gerichtet sein, dass die UNESCO in ihren Zuständigkeitsbereichen zur Denkfabrik des UN-Systems umgebaut wird und damit die Forderungen zur Konzentration, Transparenz und Partizipation deutlicher als bisher erfüllen kann.

 

Prof. Dr. Klaus Hüfner

 


Dieser Bericht ist soeben in der Ausgabe März 2014 von GLOBAL VIEW erschienen, dem unabhängigen Magazin der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN) und des Akademischen Forums für Außenpolitik (AFA): GLOBAL VIEW (siehe Titelseite und Seiten 6-7).

Weiterführende Infos unter » www.globalview.at